Die Unternehmen des US-Amerikanischen Konzerns Merck & Co. dürfen trotz entgegenstehendem Patent eines japanischen Pharmaunternehmens vorläufig weiter in Deutschland ihre Aids-Medikamente vertreiben. Die entschied das Bundespatentgericht (BPatG) in seinem Urteil vom 31.08.2016 (Az.: 3 LiQ 1/16).

Patent auf Aidsmedikament

Dem Eilverfahren vorausgegangen war eine Unterlassungsklage des japanischen Pharmaunternehmens Shionogi & Co. Ltd. gegen den US-Konzern vor dem Landgericht Düsseldorf (Az.: 4c O 48/15). Das klagende japanische Unternehmen sah sich durch den Vertrieb eines bestimmten AIDS-Medikaments durch den US-Konzerns in seinen Patentrechten verletzt. Das Unternehmen ist Inhaber eines Europäischen Patents für einen bestimmten Wirkstoff, welcher maßgeblich in dem von dem Amerikanischen Konzern vertriebenen Aidsmedikament vorkommt. Nachdem der Konzern deswegen auf Unterlassung verklagt worden war, klagte er seinerseits vor dem Bundespatentgericht auf Erteilung einer Zwangslizenz. Zeitgleich reichte er einen Antrag auf eine einstweilige Nutzungserlaubnis für das Medikament ein. Über diesen Antrag hat das Gericht nun entschieden.

Ausschließliche Nutzungsrechte eines Patentinhabers

Grundsätzlich berechtigt ein Patent den Patentinhaber gemäß § 9 Patentgesetz (PatG) zur ausschließlichen Nutzung. Steht einem Unternehmen, wie hier dem japanischen Pharmaunternehmen, ein Patent bezüglich eines bestimmten Wirkstoffes zu, dürfen andere Unternehmen grundsätzlich nicht diesen Wirkstoff in ihren Medikamenten nutzen. Patentverletzungen können den Inhaber zu Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen gegen den Verletzer berechtigen. Ein Patentinhaber kann allerdings durch die Vergabe von Lizenzen anderen Personen die Nutzung des Patents, für gewöhnlich gegen Bezahlung, gestatten. Vorliegend war das japanische Unternehmen trotz Millionen-Angebots allerdings zu keiner Lizenzvergabe bereit. Somit stand ihm grundsätzlich kraft des Patentes die ausschließliche Nutzung des Wirkstoffes zu.

Ausnahme der Zwangslizenz

Grundsätzlich darf jeder Patentinhaber frei darüber entscheiden, ob er bereit ist, einer anderen Person die Nutzung seines Patents durch eine Lizenz zu gestatten. Von dieser Grundregel gibt es allerdings eine Ausnahme. § 24 PatG bestimmt:

Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern

  1. der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen, und
  2. das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.“

Somit kann ein Patentinhaber gerichtlich dazu verpflichtet werden, einer anderen Person eine Lizenz zu erteilen. Voraussetzungen sind allerdings, dass sich die lizenzsuchende Person, wie hier der US-Konzern, bereits erfolglos um die Erteilung einer Lizenz bemüht hat und ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Lizenz vorliegt. Dadurch soll in Einzelfällen die Öffentlichkeit vor schwerwiegenden Nachteilen durch die Monopolstellung eines Patentinhabers geschützt werden. Da dadurch allerdings auch in das verfassungsmäßig verbürgte ausschließliche Recht des Patentinhabers eingegriffen wird, ist ein ausgesprochen zurückhaltender Umgang mit der Vorschrift geboten. Das Gericht musste somit in einer für einen solchen vorläufigen Antrag ausreichenden vorläufigen Prüfung des Sachverhalts entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zwangslizenz vorlagen. Der US-Konzern konnte glaubhaft machen, sich bereits zuvor erfolglos um die Erteilung einer Lizenz bemüht zu haben. Fraglich war, ob auch ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Zwangslizenz gegeben war.

Gericht bejaht öffentliches Interesse an Zwangslizenz

Das entscheidende Bundespatentgericht entschied sich nach einer vorläufigen Prüfung des Sachverhalts für ein öffentliches Interesse an der vorläufigen Erteilung einer Zwangslizenz. Nach Anhörung eines Sachverständigen kam es zu der Auffassung, dass das betroffene Medikament von bestimmten Gruppen HIV-Infizierter und/oder an AIDS erkrankten Personen aus medizinischen Gründen dringend benötigt werde und nicht ohne erhebliche gesundheitliche Risiken auf andere Präparate ausgewichen werden könne. Somit sei ein öffentliches Interesse an dem Vertrieb des Medikaments durch den US-Konzern zu bejahen, welches die Interessen des japanischen Unternehmens an seinen ausschließlichen Patentrechten überlagern würde. Der Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz sei somit vorläufig stattzugeben. Ob das Gericht nach eingehender Prüfung in der Verhandlung zur Hauptsache zu dem gleichen Ergebnis finden wird, bleibt abzuwarten.

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