Bucht ein Reisender nach einer Flugverspätung in Eigenregie einen Ersatzflug, muss der Reiseveranstalter jedenfalls dann die Mehrkosten hierfür übernehmen, wenn er den Reisenden nicht auf dessen Pflicht zur Anzeige des Reisemangels hingewiesen hat. Dies entschied jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 03.07.2018 (Az.: X ZR 96/17; Leitsatz d. Bearbeiters).

Reisende buchten eigenmächtig Ersatzflug

In dem nun vom BGH entschiedenen Fall hatte eine Frau bei einer Reiseveranstalterin für sich, ihren Ehemann und zwei Kinder eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei gebucht. In dieser Pauschalreise war auch ein Rückflug von Antalya nach Frankfurt vorgesehen. Am Abreisetag wurde den Reisenden allerdings mitgeteilt, dass sich der Rückflug aufgrund eines technischen Defekts verschieben werde. Der Flug sollte nun mehr als zwei Stunden verspätet und nicht, wie zunächst geplant, nach Frankfurt, sondern nach Köln fliegen, von wo aus ein Bustransfer nach Frankfurt geplant war. Damit hätte sich eine Gesamtverspätung von über sechs Stunden im Vergleich zur ursprünglichen Reiseplanung ergeben. In Erwartung dessen buchte die Frau bei einer anderen Fluggesellschaft in Eigenregie einen Ersatzflug für sich und ihre Familie nach Frankfurt.

Später verlangte sie von ihrer Reiseveranstalterin die Erstattung der Kosten für den gebuchten Ersatzflug. Als diese sich weigerte, erhob die Frau Klage vor dem Amtsgericht Köln. Die Klage blieb allerdings zunächst sowohl vor dem Amtsgericht Köln als auch in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Köln erfolglos. Schließlich hatte nun der Bundesgerichtshof als letzte Revisionsinstanz über den Fall zu entscheiden.

Reisebuchung als Pauschalreisevertrag

Rechtlich gesehen kommt bei Buchung einer Reise bei einem Reiseveranstalter der Abschluss eines Pauschalreisevertrags gemäß § 651a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu Stande. Für einen solchen Pauschalreisevertrag bestimmt § 651i BGB, dass der Reiseveranstalter die Reise frei von Mängeln zu erbringen hat. Verstößt der Reiseveranstalter gegen diese Pflicht zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung, stehen den Reisenden gem. §651i Abs.3 BGB diverse Rechte gegen den Reiseveranstalter zu, unter anderem kommen Reisepreisminderung, Kündigung oder Schadensersatzansprüche in Betracht. Zudem dürfen Reisende den Mangel unter Umständen selbst beheben und anschließend vom Reiseveranstalter Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen. Ein grob verspäteter Flug, der zudem auch noch an einen anderen Flughafen fliegt, stellt regelmäßig einen solchen Reisemangel dar, zudem kann in einem solchen Fall eine Ersatzbuchung als Mängelbeseitigung angesehen werden.

Weitere Voraussetzung für die sich daraus ergebenden Rechte ist allerdings grundsätzlich stets, dass der Reisende zunächst unter Setzung einer angemessenen Frist von dem Reiseveranstalter Abhilfe verlangt hat, § 651k Abs.1 S.1 BGB. Der Reiseveranstalter soll zunächst die Chance erhalten, seinen Fehler selbst wieder zu beheben, bevor er an den Reisenden zahlen muss. Über diese und andere Besonderheiten des Vertrages hat der Reiserveranstalter den Reisenden im Übrigen gemäß § 651d BGB ausführlich zu informieren.

Vorliegend hatte die Klägerin eine solche Frist zur Mängelbeseitigung allerdings nicht gesetzt, vielmehr hatte sie sofort in Eigenregie einen Ersatzflug gebucht, ohne zuvor Kontakt zu ihrer Reiseveranstalterin aufzunehmen. Dies war der Grund, wieso die Vorinstanzen ihre Klage auf Erstattung der Buchungskosten zunächst abgewiesen hatten. Die Richter hatten argumentiert, dass die Frau die Reiseveranstalterin im vorliegenden Fall zunächst – beispielsweise telefonisch – bezüglich eines Abhilfeverlangen hätte kontaktieren können und müssen.

Bundesgerichtshof stärkt Rechte von Reisenden

Der BGH als höchstes deutsches Zivilgericht entschied sich hingegen zu Gunsten der klagenden Frau für eine Erstattungspflicht der Buchungskosten. Die Richter betonten dabei die besonderen Informationspflichten der Reiseveranstalterin. Denn die Reiseveranstalterin hatte bei der Buchung der Reise versäumt, ihre gesetzlich vorgesehenen Informationspflichten gegenüber den Reisenden ordnungsgemäß zu erfüllen. Unter anderem hatte sie die Frau entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV nicht darauf hingewiesen, dass diese nach den oben ausgeführten gesetzlichen Vorgaben einen Reisemangel grundsätzlich zunächst anzeigen muss.

Diese Informationspflichtverletzung hat nach Ansicht des BGH ausnahmsweise zur Folge, dass sich die beklagte Reiseveranstalterin gegenüber dem geltend gemachten Ersatzanspruch weder auf das Fehlen einer Mangelanzeige noch auf das Unterbleiben einer Fristsetzung berufen darf. Die Frage, ob die Reisende unter den gegebenen Umständen des Falles überhaupt verpflichtet gewesen war, ein Abhilfeverlangen an die Reiseveranstalterin zu richten, oder ob dieses ausnahmsweise entbehrlich war, konnten die Richter dementsprechend offenlassen, da die Reiseveranstalterin sich jedenfalls nicht darauf berufen konnte.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, welch entscheidende Bedeutung den Informationspflichten des Reiseveranstalters bei Abschluss eines Reisevertrages zukommen kann. Aber auch Reisende treffen Pflichten, sofern sie gegen Reisemängel vorgehen wollen. Grundsätzlich müssen Reisemängel unter angemessener Fristsetzung zur Mängelbeseitigung bei dem Reiseveranstalter angezeigt werden.

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