Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat den Antrag einer Gemeinde auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nutzung eines ehemaligen Hotels als Flüchtlingsunterkunft abgelehnt (Beschluss vom 24.08.2016, Az.: 11 K 772/16). Bei der ungeklärten Frage, ob es alternative Unterbringungsmöglichkeiten gibt, ergebe eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache kein überwiegend wahrscheinliches Ergebnis. Bei einer bloßen Nutzungsänderung überwiege deswegen das Interesse an der Durchführung der Flüchtlingsunterbringung.

In ehemaliges Hotel sollten 120 Flüchtlinge untergebracht werden

Im Zentrum des Rechtsstreits steht ein ehemaliges Hotel im Gebiet der Gemeinde Waldachtal in Baden-Württemberg. Das seit fünf Jahren leerstehende Gebäude soll nach den Vorstellungen eines Bauherrn als Flüchtlingsunterkunft für mindestens 120 Flüchtlinge genutzt werden. Er beantragte deswegen beim zuständigen Gemeindeverwaltungsverband eine Baugenehmigung über die Nutzungsänderung von „Hotel“ auf Asylbewerberunterkunft. Bereits hiergegen erhob die Gemeinde Einwände. Das Gebäude liegt gemäß dem Bebauungsplan der Gemeinde in einem Baugebiet, in welchem grundsätzlich nur Einrichtungen für den Fremdenverkehr wie Gästezimmer, Ferienwohnungen einschließlich der dazugehörigen Nebeneinrichtungen sowie Schank- und Speisewirtschaften zulässig sind. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte allerdings eine Abweichung von diesen Festsetzungen des Bebauungsplanes erlaubt, sodass der Gemeindeverwaltungsverband dem Bauherrn daraufhin die Baugenehmigung erteilte. Sehr zur Missgunst der betroffenen Gemeinde, welche gegen die Erteilung der Baugenehmigung Widerspruch einlegte und beim Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragte.

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutzes ist Abwägungssache

Unter vorläufigem Rechtsschutz versteht man die Möglichkeit, bestimmte Rechte wegen Dringlichkeit bereits vor einer, meist zeitintensiven, gerichtlichen Entscheidung zu schützen. Einstweiliger Rechtsschutz kann unter anderem bei einem Gericht beantragt werden. Richtet sich ein solcher Antrag beispielsweise wie hier gegen eine Baugenehmigung, kann das Gericht vorläufig die Wirksamkeit der Baugenehmigung hindern, ohne endgültig deren Rechtswidrigkeit feststellen zu müssen. Es reicht vielmehr aus, dass das Gericht vorläufig davon ausgeht, dass das Interesse an der Unwirksamkeit der Baugenehmigung das Interesse an der Durchsetzung der Baugenehmigung überwiegt. Für die Bewertung der Interessen ist entscheidend, ob eine Klage gegen die Baugenehmigung Aussicht auf Erfolg hätte. Denn wenn die Baugenehmigung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse der Gemeinde an der Unwirksamkeit. Sind die Erfolgschancen einer Klage dagegen gering, überwiegt das Interesse an der Durchsetzung der dem Bauherrn gewährten Baugenehmigung.

Möglicher Verstoß gegen baurechtliche Vorgaben

Grundsätzlich sind die Vorgaben des Bebauungsplanes einer Gemeinde verbindlich. Trifft ein Bebauungsplan für ein Gebiet bestimmte Festsetzungen, wie beispielsweise die erlaubte Art der baulichen Nutzung, darf eine Baugenehmigung für ein Vorhaben in dem Geltungsbereich des Bebauungsplanes gemäß § 30 BauGB nur erteilt werden, wenn das Vorhaben nicht gegen diese Festsetzungen verstößt. Dabei sind allerdings zahlreiche Ausnahmen möglich. So hat sich der Gesetzgeber etwa speziell bei der Unterbringung von Flüchtlingen für eine Reihe von Abweichungsmöglichkeiten von baurechtlichen Vorgaben entschlossen. So wurde durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 23.10.2015 der § 246 des Baugesetzbuches angepasst. § 246 Abs. 14 BauGB bestimmt nun:

„Soweit […] dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorschriften dieses Gesetzbuches […] in erforderlichem Umfang abgewichen werden“.

Ob diese Vorrausetzungen für die Möglichkeit einer Abweichung in der Gemeinde gegeben sind, war in dem konkreten Fall umstritten.

Gericht schätzt Erfolgsaussichten als nicht hoch genug ein

Das Verwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass es unklar wäre, ob die Voraussetzungen des § 246 Abs.14 BauGB vorliegen würden. Ohne weitere Aufklärungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht könnten die streitigen Fragen des Unterkunftsbedarfs und des Vorhandenseins von alternativen Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge in der Gemeinde nicht beantwortet werden. Da die Erfolgsaussichten einer Klage deswegen offen wären, käme es für die Beurteilung über die Anordnung von einstweiligem Rechtsschutz auf eine Abwägung zwischen den gegenseitigen Belangen an. Dabei sei zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 246 Abs.14 BauGB erkennbar die Absicht verfolgt hätte, die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu erleichtern. Zudem handele es sich bei der Baugenehmigung lediglich um eine Nutzungsänderung, welche im Gegensatz zu Neubauten oder großen Änderungen in der Bausubstanz wieder verhältnismäßig leicht rückgängig zu machen wäre. Somit setze sich das öffentlich Interesse an der Durchsetzung der Baugenehmigung durch, der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei somit abzulehnen.

 

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